photo responding artwork Sibylle Schwarz
Photo: Arthur Ohler

Gefördert durch das Kulturamt der Landeshauptstadt Stuttgart und dem Innovationfonds KUNST des Ministeriums für Wissenschaft, Forschung und Kunst Baden-Württemberg

Mit freundlicher Unterstützung des Produktionszentrums Tanz und Performance e.V. und der Marmorsaal im Weißenburgpark GmbH




ida herion

Im Oktober blühte der freie Tanz in Stuttgart für einige Abende so lebendig wie lange nicht mehr.
Die in Dresden an der Palucca-Schule ausgebildete Choreografin Nina Kurzeja erinnerte mit ihrer spartenübergreifenden Produktion «Ida Herion – Trace Back Session» an die 1920er-Jahre, als der kunstsinnige Unternehmer Ernst von Sieglin den Schülerinnen und Schülern der Ausdruckstanz-Schule von Ida Herion (1876-1959) seinen Weißenburgpark als Freiluftbühne und Fotokulisse zur Verfügung stellte.[...] Kurzeja und ihrem Team gelang eine hochpoetische und doch anschauliche Spurensuche, die Vergangenes im Spiegel eigener Akzentsetzungen lebendig machte.
-- Julia Lutzeyer

Tage voll südlicher Schönheit
Zwei Sprecherinnen begleiten den Streifzug – mitten hinein in den Park und die 20er Jahre. [..] Eine Wundertrommel im Park zeigt junge Frauen bei Übungen, auch andere Projektionen erwecken Wände, Hügel und den Standtort des alten Tennisplatzes zum Leben. [..] Im Marmorsaal angelangt, trifft das Publikum auf leibhaftige Tänzer (Marina Grün, Lena Schattenberg Kira Senkpiel und Samuel Feldhandler), im Gegensatz zu Ida Herions Schülerinnen in Schwarz gekleidet. Zu einer Collage von Zitaten der Zeitzeugin Ursula Bischoff-Mußhake, Klavierklängen und Percussion erproben sie die Positionen aus dem Bildband. [..] Die Quellen von damals wirken bis heute: Noch immer kommen die Impulse aus der Köpermitte; bestimmend war und ist beim Ausdruckstanz der Rhythmus. Negatives spart das Stück nicht aus: Tänzer waren und sind auf Mäzene wie Sieglin oder im Falle der „Trace Back Session“ auf die öffentliche Hand angewiesen.
-- Anne Abelein, Stuttgarter Nachrichten, Mittwoch, 28. Oktober 2015

Grund der Bewegung
Zu Klaviermusik aus der Romantik steuert Roderik Vanderstraeten atmosphärische Klänge bei, immer wieder werden kurze Berichte von Bischoff-Mußhake vom Band eingespielt. Die vier Tänzer schreiten zunächst zur im gemeinsamen Rhythmus, dann nehmen sie anhand von Bildern, die wir Zuschauer in den Händen halten, die expressiven Posen von damals ein. Sie zeigen in maschinenartigen Impulsen die Mechanisierung des damaligen Lebens und greifen schließlich in neu choreografierten Solos die Prinzipien des Ausdruckstanzes auf, fragen darin insistent nach dem Warum der Bewegung. [..] Fast immer, wenn sich die freie Tanzszene in die Stadt hinausbegibt, regt der Aufführungsort ein wertvolles Projekt an. Nach dem Park bindet Nina Kurzeja auch den gesamten Marmorsaal in ihre Inszenierung mit ein findet genau die richtige Balance zwischen historischer Reminiszenz und einem Weiterschreiben in die Gegenwart.
-- Angela Reinhardt, Esslinger Zeitung, Dienstag, 27. Oktober 2015

Alle Bewegung kommt von innen
Da wurde zu viert geschritten, zu zweit Berührung erkundet, einzeln auf dem Boden gerollt oder auf Profil gespielt – mit vorgestrecktem Kinn und Fransen-Kopfschmuck. Einfühlsam interpretierten dazu Marina Müllerperth und Malvida Brandt Bach bis Rachmaninoff auf dem Klavier, der Komponist Roderik Vanderstraeten steuerte live glockenartige elektronische Klänge bei. Mit der Session wolle sie dem zeitgenössischen Tanz und der Tanzstadt Stuttgart eine Erinnerung zurückgeben, so Kurzeja. Das gelingt ihr bestens. Indem sie Herion in die Gegenwart spiegelt, wird klar, wie aktuell ihre Methoden, ihre Haltung sind. [..]
-- Petra Mostbacher-Dix, Stuttgarter Zeitung, Dienstag, 27. Oktober 2015

Enthusiasmus, der ansteckte
Es waren die Schülerinnen Ida Herions, die zwischen 19112 und 1954 mit der Herion-Schule viele Jahre den künstlerischen Tanz in Stuttgart prägte. „Ich finde es erstaunlich, dass man sich heute gar nicht mehr an sie erinnert“ meint Nina Kurzeja. Immerhin wurden Herions Tanzabende vom Vorläufer der heutigen Kulturgemeinschaft gefördert. „Stuttgart sollte sich dieser Wurzeln bewusst werden“, findet sie. [..] Bei der „Trace Back Session“ werden die Zuschauer bei einem Video-Parcours durch den Park in die Stimmung der damaligen Zeit versetzt. Sie hören das elegische Vorwort aus „Getanzte Harmonien“ über den denkwürdigen Fotosommer und erleben als Höhepunkt Ida Herions Ausdruckstanz in der mythisch-märchenhaften Umgebung des Marmorsaals in modernem Gewand.
-- Anne Abelein, Stuttgarter Nachrichten, 22. Oktober 2015